Racing – Tom Hauri Racing

Racing

Hauri Ducati 996

916, Jg. '94; Motor 90°-V2, wasser-gekühlt, DOHC, 4 Ventile pro Zylinder, hydraulische Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Nasssumpfschmierung. Gitterrohrrahmen, LM-Guss-Einarmschwinge.
Änderungen Antrieb:
Motor 996 cm3 (orig. 916 cm3), Bohrung x Hub 98 x 66 mm. Zylinderkopf aussen original, Brennraumkalotte aus Bronzelegierung; Ventile Eigenbau (Einlass: Bimetall, d¸ 41,2 mm (Werks-Duc: 40,0 mm); Auslass: 3 Materialien für Schaft, Teller, Tellerrand-Panzerring, d¸ 34,0 mm;). Nockenwellen Ducati Racing (wie Werksracer '99); Zahnriemenantrieb mit zusätzlicher Spannrolle auf Einlaufseite. Einlass je eine Eigenbau-Drosselwalze mit zwei 36-mm-Bohrungen und eine Einspritzdüse über den Zwillingsansaugtrichtern pro Zylinderkopf. Carillo-Stahlpleuel. Elektronisches Motormanagement von Motecc, Lambda-gesteuert mit integriertem Data-Recording, vergrösserter Haupt-Wasserkühler und seitliche Zusatzkühler (wie Werks-996). Termignioni-Auspuffanlage. Kupplung und Getriebe Ducati Racing. Übersetzung Daytona 16 : 36 Z.
Änderungen Karosserie:
Alle Karosserieteile Karbon. Lenkungsdämpfer Öhlins. Marvic-Gabelbrillen mit 6 mm geringerem Versatz. Showa-Telegabel Standard-916 überarbeitet, Federbein hinten von Öhlins, für Daytona überarbeitet, Feder 9,5 kg (orig. 6,5 kg). Marvic-Magnesium-Einarmschwinge, 2 mm länger als orig.. Bremsen vorne: 2 Achtkolbenzangen und 320-mm-Guss-scheiben von Spiegler, hinten original Brembo, 220-mm, erleichtert. Marchesini-Magnesiumgussfelgen. Pneus Dunlop, Spezialkonstruktion für Daytona, linke Seite der Laufflöchen mit härterer Mischung, rechts weichere Mischung.
Gewicht:
Mit leerem 22-Liter-Tank 160 kg.
Leistung:
158PS bei 11500/min
 

Racing - Abenteuer Daytona

Weltweit gibts ein paar Opernbühnen, die an Ruhm und Tradition alle anderen in den Schatten stellen. Die Mailänder Scala zum Beispiel. Hier erlebte Dramen stehen einsam an der Spitze der Emotionsskala, fürs Publikum und erst recht fürr die Darsteller. Genauso ist es mit einem Start bei den 200 Meilen von Daytona.

Nur auf ganz wenigen der ehemaligen grossen, legendären Rundstrecken geht heute noch für richtige Rennen der Vorhang auf: Der Mountain Course auf der Isle of Man gehört dazu und die gigantische Vollgas-Schüssel von Daytona. Auf diesen Pisten gelten spezielle Gesetze und Neulinge haben in aller Regel keine Chance. Gerade deshalb üben diese Saurier der Strassenrennwelt eine magische Anziehungskraft auf Piloten und Zuschauer aus und potenzieren das Abenteuer Strassenrennsport.

An den Start gehen hier ausser den Einheimischen nur noch Rennhirnis, die irgendwo «einen Flick weg» haben. Nach Edwin Weibel 1994 hat sich 2000 erstmals wieder ein Schweizer in der 200-Meilen-Schlacht durch die Steilwände der 5,724 km langen Rennstrecke in Florida katapultiert. Und dieser Tom Hauri hat nicht gesiegt. Er hat nicht mal das Rennen zu Ende fahren können. Trotzdem ging die Rechnung auf, wenigstens emotional. Aber alles der Reihe nach...
 

Vorgeschichte

Der Monobike-Schweizermeister von 1999, Rolf Knecht, startete im März 1999 bei den Klassiker-Rennen im Rahmenprogramm der Daytona Speed Week. Zurück in der Schweiz macht er Thomas Hauri mit dem grenzenlosen Speed-Feeling in den 300 km/h schnellen Steilwandkurven heiss. Hauri, Mechaniker bei Ducati-Spezialist Hansruedi Kaufmann in Muhen und ein Speedfreak erster Güte fängt Feuer. Ihm schliessen sich der Veteranen-Racer Willi Rüfenacht aus Uerkheim mit einer Matchless G 50 sowie Martin Bachmann, Remo Hauri und Thomas Hunziker als Boxencrew an. Zusammen mit Knecht füllen sie im am 27. Januar einen Frachtcontainer mit Knechts BoT-Ducati, Hauris 996er und Rüfenachts Matchless sowie «Kleinmaterial». Ihr Ziel: Renneinsätze während den Classic Days am Anfang der Speed Week, alles Sprintrennen ohne Boxenstopps.

In Hauris Kopf reift aber die Idee, sich für die 200-Meilen auch anzumelden wenn er schon mal da ist. Doch im Vorfeld gibts Probleme: Knecht wie Rüfenacht besitzen eine FMS-Inter-Lizenz. Hauri, der bisher nur Fun-Rennen bestritten hat, erhält von der FMS den Rat, eine nationale US-Lizenz bei der AMA zu beantragen. Das klappt wider Erwarten. Die Schweizer reisen in der Vorwoche der Speed Week Ende Februar an. Die Trainings beginnen am Donnerstag, aber der Container trifft erst Donnerstagabend ein.

Über Nacht werden die Bikes zusammengesteckt. An Hauris 996er steigt beim ersten Test die Benzinpumpe aus. Das heisst schrauben. Am Dienstag spukt an Hauris Duc im «Sound of Thunder» Rennen das Motormanagement. Nach drei von acht Runden ist Schluss. Wieder ist Schrauben angesagt, um die 996 für das erste 200-Meilen-Training am Mittwoch herzurichten. Tom legt mit 2:05,818 als 32. eine beruhigende Zeit vor, hat noch Reserven, fährt aber nur 5 Runden, da die Duc auf den Geraden immer abmagert. Schrauben! Am Mittwochabend lädt MSS das Team Hauri zu einem gemeinsamen Nachtessen mit den Teilnehmern der MSS-Daytona-Leserreise in ein japanisches Restaurant ein. Hier können die Race-Fans den Steilwandhelden stundenlang Löcher über jedes Detail in den Bauch fragen.
 

Das Rennen Daytona

Am Donnerstag in der Qualifikation für die 200 Meilen marschiert die Duc nach dem Wechsel eines Pickup wie 'ne Eins. Für Freitag gibts einen neuen Motor und wieder spinnt die Zündung, der V2 dreht nur 9500/min. Rätselraten bei den Schweizern. Man wechselt erneut das Pickup, schliesslich steht Tom am Sonntagmittag mit 1:57,570 (= 174,7 km/h) auf dem 24. Startplatz in der sechsten Reihe, mitten in der Startgruppe der ersten 40! Ein Riesenerfolg! Unterdessen hat man im Fahrerlager Boxenstopps geübt, und in der Samstagnacht notfallmässig im Hotel den für die Tankstopps obligatorischen «teameigenen» Feuerlöscher «organisiert». Am Vorstart &endash; Tom ist schon draussen &endash; ist plötzlich alles unklar. Zwischen der 5. und Toms Startreihe klafft eine grössere Lücke. Gehört Reihe 6 noch zur ersten Startwelle? Und wenn nein, wie erfolgt der 10 Sekunden verzögerte Start für die zweite Welle? Per Ampel oder Flagge? Das Frage-und-Antwortspiel mit einem Funktionär schafft keine Klarheiten, keiner merkt, dass Reihe 6 nur wegen einer Boxenmauerdurchfahrt so steht.

Beim Start wartet Tom verunsichert und verliert gleich 10 Plätze. Aber dann kämpft er sich mit regelmässigen 1:59er-Zeiten Platz um Platz nach vorne, die Duc brummt optimal vorbei. In Runde 15 ist er 24., alles scheint zu passen. Die Boxencrew wartet auf den geplanten Tank- und Radwechselstopp in Runde 18. Dann ein Schrei: «Tömu kommt rein!!!» Hektik, nichts ist bereit. Jeder greift sein Werkzeug. Tom schiesst heran, erschrickt, weil keiner bereitsteht, überbremst vorne, korrigiert, die Duc katapultiert Rolf inklusive Hinterradständer über die Boxenmauer zurück, wo er hergekommen ist, Tom segelt vom hochsteigenden Heck direkt in die Arme von Remo, den es zwischen Werkzeugrolli und Mauer runterhaut. Alle rappeln sich hoch, während Willi vor der Mauer die Duc aufstellt. Tom ist sprachlos, Remo hat an Arm und Fuss etwas abbekommen und Rolf eine Fleischwunde im Oberschenkel. An der Duc muss der rechte Lenkerstummel gewechselt werden. Das kostet 5 Runden. Dann fährt Tom wieder raus, dreht aber verhaltene 2:02er-Runden. Was ist passiert?

Eine Zweistopp-Strategie mit Tanken und Hinterradwechsel nach 18 und 38 Runden von total 57 war abgesprochen. Aber mit Thomas Hunziker, der im Infield die Boxensignale gibt, hat keiner geklät, ob der Sprit für 18 Runden inklusive Einführungs- und Aufwärmrunde, also für 20 Runden reicht, oder nur für 18 Runden total, also 16 Rennrunden. So hat er in Runde 16 das Signal «Box» rausgehalten. In Runde 44 kommt das endgültige Aus für Hauri. Er rutscht im «Second Horseshoe» aus. Der Grip ist wirklich Schade. Obwohl das Ziel: «Qualifikation für die 200 Meilen, und möglichst lange mitfahren» erreicht wurde, sind erst alle frustriert. Man räumt zusammen. Beim Abschied von Tom und Rolf dann die Frage: Fahrt ihr nächstes Jahr hier? Sie schauen sich an: «Jetzt wo wir soviel gelernt haben, wäre es direkt schade, es nicht noch einmal zu versuchen. Oder?» Der Virus Daytona hat zugeschlagen, die Infektion blüht. Das Drama der unvergleichlichen 200 Meilen lässt seine Hauptdarsteller nicht mehr los. Sie werden wohl auch im März 2001 in Florida an ihren Ducatis feilen. Und MSS wird mit seinen Lesern wieder dabei sein und mitfiebern!